Vom Bauern- zum Industriedorf
Der Bau der Zentralbahn 1856 und der sechs Jahre später errichtete Bahnhof Roggwil (der Ortsname Wynau wurde erst rund 50 Jahre später zugefügt), war die entscheidende Weichenstellung für die seither stetige Entwicklung des Dorfes der Neuzeit. Der Grundstein dazu wurde 1862 gelegt, als Arnold Künzli und Johann Friedrich Gugelmann in der Brunnmatt die ersten Gebäulichkeiten für eine Baumwollweberei erstellen liessen. Die Gründung fiel auf "fruchtbaren" Boden, hatten sich die Roggwiler doch schon lange zur Weberei hingezogen gefühlt: bereits 1692 werden zwei Dorfbewohner als Weber aufgeführt. 1764 liess sich eine Handelsgesellschaft, die "leinene Bändel" verarbeitete, im Dorf nieder, wobei es damals zum guten Ton gehörte, dass praktisch in jedem Haus ein eigener Webkeller eingerichtet war. Doch diese Produkte der Heimweberei waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem Markt kaum mehr konkurrenzfähig. So entwickelte sich aus dem alten Handwerk nach und nach eine leistungsfähige Industrie, und obwohl schon sechs Jahre nach der Gründung der Firma Gugelmann deren Hauptsitz nach Langenthal verlegt wurde, bedeutete dieses Unternehmen über viele Jahrzehnte hinweg den eigentlichen Brotkorb der Roggwiler. 1935 beschäftigte die Firma in der Brunnmatt rund 1500 Personen, davon 510 aus Roggwil.
In jene Zeit des industriellen Umbruchs fiel 1865 auch der Ausscheidungsvertrag mit der damals einflussreichen Burgergemeinde. Von den 262 Stimmberechtigten waren 243 Roggwiler Burger. Heute sind es von 2550 Stimmberechtigten noch 440.
All diese Vorgänge und die wirtschaftlichen Verhältnisse wirkten mit, der Siedlung Roggwil einen besonderen Stempel aufzudrücken. Die Umwandlung vom eigentlichen Bauern- zum Industriedorf vollzog sich aber eher langsam. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts Roggwil knapp 200 Wohngebäude zählte, waren noch drei Viertel davon mit Stroh bedeckt. So verwundert es denn nicht, dass 1856 im grössten Brandunglück der Ortschaft 32 Häuser den Flammen zum Opfer fielen und auf die 1200 Einwohner rund 20 Prozent Notarme kamen. Doch nach und nach setzte sich der wirtschaftliche Aufschwung durch, und wenn auch die Ur- und Grundbetätigung des Roggwilers die Landwirtschaft war, so erfreute sich das Dorf doch einer steten Zunahme an Industrie und Gewerbe. Neben den bereits bestehenden kleineren Holz- und Metallverarbeitungsbetrieben kamen 1904 die Ziegel- und Backsteinwerke sowie rund 20 Jahre später das bedeutende Roggwiler Unternehmen, die W. Schneeberger AG, Maschinenfabrik dazu. Die lange Zeit auch mit Nachteilen verbundene einseitige Abhängigkeit von den Textilwerken Gugelmann wich nun einem vermehrten und vielseitigen Stellenangebot.
Entsprechend entfaltete sich auch das gesellschaftliche und kulturelle Leben. Roggwil wurde in den letzten Jahrzehnten zu einer Turnerhochburg, und weitherum bekannt machten es sein Kinder- und Jugendchor unter der Leitung von Robert Favre sowie die Werke des Bildhauers Walter Würgler.